Pferdehaltung mal ganz anders

Wilde Pferde und aktive Pferde - im Oktober lud der Pferdesportverband zu einem besonderen Ausflug ein: In die Geltinger Birk zu wildlebenden Pferden und in den Aktiv-Stall von Familie Otzen in Steinbergkirchen. Nadine Sorgenfrei war für uns da.



Die stürmische See schlägt hohe Wellen und salzige Luft weht uns um die Ohren, als wir durch eine karge hellbraune Landschaft stapfen. Da sehen wir sie plötzlich vor uns: zwei Herden wilder Ponys. Aufmerksam blicken die grauen Stuten zu uns herüber, ihre Fohlen dicht an ihre Bäuche geschmiegt. Zwei junge Hengste interessieren sich dagegen wenig für uns - sie tragen gerade mit hoch strampelnden Hufen und gebleckten Zähnen aus, wer der Stärkere ist.
Wer bei dieser Szene vielleicht an das raue Island denkt, liegt falsch. Die wilden Pferde findet man hier bei uns: im Norden Schleswig-Holsteins im Naturschutzgebiet Geltinger Birk. Auf der Halbinsel in der Flensburger Förde leben drei Herden mit mittlerweile 60 Tieren. Die halbwilden Koniks wurden 2002 in der Geltinger Birk angesiedelt. Spaziergänger und Besucher freuen sich oft über den Anblick der grau-schwarzen Ponys mit dem Aalstrich, die Tiere haben aber in erster Linie einen Job zu erledigen: Fressen. "Die robuste Rasse eignet sich hervorragend für den Einsatz als vierbeinige Landschaftspfleger", erklärt Antje Walter, die Flächenmanagerin der Stiftung Naturschutz (www.sn-sh.de). "Sie können ohne Probleme das ganze Jahr im Freien leben und kommen im Winter mit dem kargen Futterangebot der Naturschutzflächen aus. Die Koniks tun für uns das, was früher Waldelefanten oder Riesenhirsche ganz natürlich erledigt haben: aktiv das Aussehen der Landschaft gestalten."
So ist das Naturschutzgebiet "Wilde Weiden" keine zugewucherte Koppel, sondern bildet eine landschaftliche Vielfalt in der Wälder, Moore, offenes Grünland und Gebüsche fließend ineinander übergehen.
Bis auf tägliche Kontrollen aus einem respektvollen Abstand werden die Pferde in Ruhe gelassen. Diese naturnahe Haltung wirkt sich ungemein positiv auf die Gesundheit der Tiere aus. "Nur ganz selten, z. B. bei schweren Verletzungen oder Krankheitssymptomen greifen wir ein", sagt Diplom-Biologe Nils Kobarg. "Die typischen Zivilisationskrankheiten der Reitställe wie Verfettung oder Husten haben unsere Pferde sowieso nicht. Frische Luft, ausreichende Bewegung und das kräuterreiche, nährstoffarme Futter halten sie gesund."
Wer seinen Reit- oder Fahrpferden eine ähnlich gesunde Haltung bieten möchte, für den ist vielleicht ein Aktiv-Stall genau das Richtige.
Wir besuchen den Hof der Familie Otzen in Steinbergkirchen (www.aktivstall-gintoft.de). Kaum betreten wir das Paddock, schnuppert ein Schimmel neugierig an unseren Jacken. Ein Brauner und ein Fuchs stellen sich dicht hinter ihn, schauen zu. Die Atmosphäre in der Herde ist auffallend entspannt.
Ein Pony tritt vor einen kleinen Unterstand mit Raufutterraufe. Wie von Zauberhand öffnet sich das Tor und das Pony schreitet hinein und versenkt die Nüstern in duftende Heulage. Der Schimmel will es ihm nachmachen - und steht vor verschlossener Tür. "Der hat seine Ration für diese Stunde schon vernascht", erklärt Isabel Otzen. "Jedes Pferd trägt einen Transponder an einem Halsband oder in der Mähne. Der gibt ein Signal an die Futterstation und gewährt dem Pferd Eintritt. Dann bekommt es eine für ihn entsprechende Rau- oder Kraftfuttermenge zugeteilt. So verteilt sich die Fütterung auf kleine Portionen, 24 Stunden am Tag. Das schont den Magen und die Verdauung - Koliken treten hier so gut wie nie auf."
Der 2006 erbaute Aktivstall bietet den Pferden außerdem Grasweiden und eine mit dicker Stroheinlage versehene Scheune als Ruheraum. 2200 Quadratmeter Kunststoffraster wurden verlegt, damit Paddocks und Gänge auch bei Dauerregen matschfrei bleiben. Isabel und Frank-Peter Otzen achteten bei der Planung auf großen Distanzen zwischen Raufutter-, Kraftfutterstation, Tränke und Liegeraum. "Durch das Pendeln zwischen den verschiedenen Plätzen legen die Pferde täglich etwa 15 Kilometer zurück", sagt Frank-Peter Otzen. "Das entspricht in etwa der natürlichen Bewegung eines Pferdes in freier Natur. So behält jedes Tier eine konstante Grundkondition - das ist gesund für Atmung, Gelenke und Muskulatur und ideal für Turnierreiter und Besitzer, die nicht jeden Tag mit ihrem Pferd arbeiten."
Diese idealen Haltungsbedingungen wurden im letzten Jahr von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) belohnt: Der Hof Otzen siegte im bundesweiten Wettbewerb "Unser Stall soll besser werden".
"Für die Teilnehmer aus den Reitbetrieben war es eine tolle Erfahrung zu sehen, wie Pferdehaltung neben der klassischen Boxenvariante auch funktioniert", sagt Dörte Rehse-Behncke vom Pferdesportverband. "Wir haben alle interessante Anregungen für Zuhause mitgenommen."
Wer sich über weitere Veranstaltungen, Ausflüge oder Betriebsberatung informieren möchte, kann das auf www.pferdesportverband-sh.de (Vereine + Betriebe). Ansprechpartnerin ist Dörte Rehse-Behncke (Tel. 04322/3077 oder 0172/5475319).

Foto's: Nadine Sorgenfrei
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