In den Boxen bei den Olympischen Spielen

Auf eine Medaille hatten die deutschen Vielseitigkeitsreiter in China gehofft, dass es dann auch tatsächlich Gold für die Mannschaft gab, war für alle eine riesige Freude. Pferdepflegerin Petra "Pieka" Lühmann war hautnah dabei und gibt einen Blick hinter die olympischen Kulissen.

Ihre Augen strahlen, wenn sie von den Erlebnissen der letzten Wochen und Monate erzählt. Das große Abenteuer von Petra Lühmann begann im Winter mit Sichtungsturnieren und Lehrgängen als Vorbereitung für die Olympischen Spiele 2008 in China. Als Pflegerin des Fuchswallachs "The Ghost of Hamish" ließ sich die 27-Jährige ein Semester von ihrem Grund- und Hauptschulstudium in Flensburg beurlauben und konzentrierte sich ganz auf die sportlichen Spiele. Nach den beiden Turnieren in Lohmühlen und Aachen im Juni und Juli war dann klar: Ihr Arbeitgeber, der Vielseitigkeitsreiter Peter Thomsen (Foto ganz unten) wird mit seinem Pferd teilnehmen und Pferdepflegerin Petra ihren ersten Flug antreten.

Wann die 27-Jährige genau mit dem Reiten angefangen hat, weiß sie gar nicht mehr so genau. Schon als ganz kleines Mädchen hat sie sich auf Pferde gesetzt. Auf dem Reiterhof Schulz in ihrem Heimatort Bergen an der Dumme im niedersächsischen Wendland hat sie Reitstunden genommen und später dann auch dort als Pflegerin ausgeholfen und selbst Unterricht gegeben. Im Sommer 2004 kam sie auf das Gestüt der bekannten und erfolgreichen Reiterfamilie Rüder auf Fehmarn, wo sie Reitunterricht gab und mit auf Turniere fuhr. Dort war es auch, wo sie Peter Thomsen und dessen Ehefrau Kirsten kennenlernte. Da Pieka, wie die junge Frau von allen genannt wird, in Flensburg studieren wollte, hielt man den Kontakt aufrecht. Seit 2005 gehört sie nun zum Thomsen-Team. Zwei- bis Viermal pro Woche ist sie auf dem Hof im schleswig-holsteinischen Lindewitt, auf dem sechzehn Pferde stehen, zwei fest angestellte Pfleger arbeiten sowie Praktikanten. Piekas Schützling ist der Vollblüter "The Ghost of Hamish" den sie bewegt und mit trainiert, jedoch nicht reitet. Das ist ausschließlich Thomsen vorbehalten. Auf die Frage, was der Name des Pferdes bedeutet, zuckt die Studentin die Schultern: "Keiner weiß, was Hamish heißen soll." Den Namen, und auch den Spitznamen Mickey bekam der 1996 geborene Wallach bereits in Neuseeland, wo ihn das Ehepaar Thomsen entdeckte, kaufte und 2002 nach Deutschland holte. Sechs Jahre später tritt das verspielte Tier seinen nächsten Überseeflug an.

Die Anreise

Die erste Station war das Gelände des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) in Warendorf, wo 17 der 24 deutschen Pferde ab dem 17. Juli in Quarantäne kamen. Die anderen sieben Pferde waren in Aachen unter Verschluss. Nur wenigen war der Zutritt erlaubt. Wer zu den Tieren wollte oder von dort kam, musste eine Schleuse passieren. Gerade in dieser Zeit war es wichtig, mit den Pferden das Trinken zu trainieren. Rund vierzig Liter mehr als sonst musste jedes Tier in Hongkong zu sich nehmen, wo das Klima warm und schwül ist. Von einem Testturnier in Hongkong ein Jahr zuvor wusste man, dass einige der Tiere Probleme dort hatten, das Wasser zu trinken. "Deshalb haben wir schon vorher in Deutschland angefangen, das Wasser mit Apfelsaft und Elektrolyten zu mischen, um dann in Hongkong einen bekannten Geschmack erzeugen zu können. Es wäre das Schlimmste gewesen, wenn die Pferde nicht ausreichend saufen. Mit Mickey gab es zum Glück keine Probleme. Der hat das Wasser gut getrunken", so Petra Lühmann.

Nach einer Woche war es dann soweit. 14 Reiter, 25 Offizielle sowie ein Großteil der insgesamt 14 Pfleger traten via Frankfurt den Weg nach Hongkong, dem Austragungsort für die Pferdesportarten, an. Die Pferde wurden von einer Spedition abgeholt und zum Amsterdamer Flughafen gebracht, von wo aus sie den 12-stündigen Flug antraten. Pro Pferd hatte das Team 400 Kilo Gepäck dabei, darunter Stroh und Späne aus Sorge um mögliche Hautreizungen bei dem fremden Streu, 320 Ballen Heu sowie pro Pferd 250 Kilo Kraftfutter.

Dass die Reise eine unzumutbare Belastung für die Tiere sei, wie im Vorfeld häufiger kritisiert, kann Pieka nicht sehen: "Die Pferde wurden von einigen Pflegern der Springreiter und den beiden Tierärzten begleitet. Sie hatten große, bequeme Boxen, ihren Kumpel neben sich, hatten einen ständigen Wasserzugang und wurden bestens versorgt. Als die Pferde ankamen, waren sie zwar etwas müde, machten aber ansonsten einen entspannten Eindruck und waren topfit."

Willkommen in Hongkong

Rund fünf Stunden vor den Pferden waren die Pfleger vor Ort, inspizierten die neue Umgebung und optimierten den Einstreu für ihre Schützlinge. Untergebracht wurden die Pferde und ihre Pfleger im bekannten Happy Valley Racecourse Hongkong, von dem sich die 27-Jährige sichtlich beeindruckt zeigte: "Die Boxen waren ganz neu, die Sporthalle klimatisiert. Es gab einen Park, Rennplätze und riesige Trainingsplätze. Wir haben die allerbesten Bedingungen für die Pferde vorgefunden und alle waren sehr bemüht und hilfsbereit. Wir waren zu zweit in einem Zimmer untergebracht. Unser Fenster lag genau neben den Tribünen." Die Boxen der Pferde durften fortan ausschließlich der jeweilige Pfleger und Reiter betreten, sonst niemand. Nach dem langen Flug ließ man es langsam angehen, ging mit den Pferden spazieren und bewegte sie ein bisschen. In dieser Phase war auch ein wenig Zeit, die Sehenswürdigkeiten Hongkongs zu besuchen. Um das Programm hatte sich Dr. Gaby Bussmann, die Sportpsychologin der deutschen Equipe, gekümmert. Ansonsten verbrachten die Pfleger nahezu die ganze Zeit im Stall und arbeiteten auf den großen Tag hin.

Die sechs Stunden Zeitunterschied steckten Mickey und Pieka locker weg. Auch das Klima war nicht ganz so heiß und drückend wie befürchtet und besonders für Vollblutpferde gut zu ertragen. Allerdings war, wie Petra Lühmann ausdrücklich betont, von entscheidender Bedeutung, dass die erhitzten Pferde nach ihren Einsätzen umgehend und zügig abgekühlt wurden. Am 8. August begannen die ersten Vorrunden und vier Tage später stand die deutsche Nationalmannschaft der Vielseitigkeitsreiter ganz oben auf dem Siegerpodest. Nach den drei Teilprüfungen Dressur, Geländeritt und Springen hatten Peter Thomsen, Ingrid Klimke, Hinrich Romeike, Andreas Dibowski und Frank Ostholt eine Goldmedaille gewonnen.

Die goldenen Reiter

Abseits vom Rampenlicht, aber ebenso stolz und glücklich wie die Reiter, freuten sich die Pfleger und öffneten, natürlich nachdem die Pferde versorgt in ihren Boxen standen, die erste Sektflasche. Mit allen, die da waren, stieg eine große Party, die die Pfleger organisierten, da die Reiter noch auf Presseterminen waren. Später zog man in die Bar des Hotels um, wo die Reiter wohnten. Als die dazu kamen, herrschte bereits eine großartige Stimmung. Mit dem Olympia-Lied "Wir sind die goldenen Reiter" wurden sie auf die Bühne geholt. Am nächsten Tag mussten die Sportler dann, was weder sie noch die Pfleger vorher wussten, für zwei Tage nach Peking und diverse Termine absolvieren. Im Stall ging es unterdessen für die fünf Pfleger der Vielseitigkeitsmannschaft ganz entspannt zu. Zwei Tage blieben ihnen noch in der pulsierenden Metropole, bis am Freitagmorgen um sieben Uhr das Verladen der Pferde begann.

Nach der Heimkehr wurden die Goldkinder begeistert gefeiert. Der Reit- und Fahrverein Großenwiehe e.V., zu dem auch Peter Thomsen und Petra Lühmann gehören, organisierte eine Kutschfahrt durch die Straßen, die gesäumt waren mit jubelnden Menschen. Auch die Pferde waren guter Dinge. "Man merkte ihnen richtig an, dass sie froh waren, wieder in ihren gewohnten Stall zu kommen", sagte ihre Pflegerin.

Besitzer von "The Ghost of Hamish" sind Harald Salomon aus Damp, Günter Thomsen (Großenwiehe) und FORS (Förderkreis Olympische Reiterspiele e.V.). Könnten die nun nach dem großen Erfolg an einen Verkauf denken? Petra Lühmann schüttelt energisch den Kopf: "Das glaube ich nicht. Und wenn doch, dann ist das eben so." Und wie sehen ihre Zukunftspläne aus? "Ich werde jetzt wieder mein Studium aufnehmen und hoffentlich bald abschließen. Gern würde ich anschließend für einige Monate ins Ausland gehen. Irgendwann, wenn ich es mir leisten kann, hätte ich auch gern ein eigenes Pferd."

Mehr Infos

Alle Zahlen, Daten und Fakten rund um die Reiter, ihre Pferde, die Betreuer und Offiziellen gibt es auf den Seiten der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V., dem Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht http://www.pferd-aktuell.de

Reitsport-Ergebnisse auf der offiziellen Webseite der Olympischen Sommerspiele 2008

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