Interview mit Prof. Dr. Berens von Rautenfels

Manuelle Lymphdrainage beim Pferd - warum? Sylke Schulte befragte Prof. Dr. Berens von Rautenfeld, der zusammen mit seinem Team die Methodik der Manuellen Lymphdrainage erstmals aus der Humanmedizin in die Veterinärmedizin übertrug.



In wieweit lässt sich diese Therapie aus der Humanmedizin überhaupt auf das Pferd übertragen? Wo sind die Unterschiede?

Diese Therapieform lässt sich sehr gut auf Pferde übertragen. Pferde neigen sogar mehr noch als der Mensch zu Lymphödembildungen vor allem an den Gliedmaßen. Anfangs war vorgesehen, diese Therapie bei Hunden anzuwenden, doch diese neigen in sehr viel geringerem Maße zu Ödembildungen. In diesem Zusammenhang ist das Pferd sehr viel interessanter.
Generell ist die Behandlung am Pferd durchaus mit der am Menschen zu vergleichen. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied: In der Humanmedizin gibt es die Bauchtiefendrainage, die den zentralen Lymphabfluss fördert. Dazu liegt der Patient auf dem Rücken. Um diesen Schritt wirkungsvoll beim Pferd zu ersetzen, haben wir einen Ersatzschritt entwickelt, der die lumbale Tätigkeit anregt und zwar durch einen Griff in der Kniefalte.

Wann und wie sind sie darauf gekommen, diese Therapie auf das Pferd zu übertragen?

Mit dem Gedanken, diese Methodik in die Veterinärmedizin zu bringen, spielten wir bereits Anfang der 90ger Jahre. Doch erst 1998 ging es dann richtig los. Zusammen mit einer Tiermedizinerin und einem Physiotherapeuten modifizierten wir die entsprechenden Therapieformen. Dazu mussten wir erst einmal die Terminologie übertragen, da es bisher zu diesem Thema, gerade beim Pferd, fast keine Untersuchungen gab. Meine Kollegin reiste dann in die Tschechoslowakei und brachte Pferde mit Elephantiasis (Elefanten-Fuß) nach Berlin, um sie im Rahmen ihrer Doktorarbeit zu untersuchen und zu behandeln. In diesem Zusammenhang stellten wir unsere Forschungen in der Humanmedizin dann auf die Forschungen am Pferd um. Schließlich komme ich selbst aus der Veterinärmedizin und da möchte man auch mit Informationen und Methodik weiterhelfen.


Wann sollte man eine ML beim Pferd anwenden und wann nicht?
Bei Pferden mit akuten Entzündungen mit der Neigung zur Ausbreitung, zum Beispiel einem Einschuss, sollte man von dieser Behandlung absehen. Ein Einschuss ist in der Humanmedizin zum Beispiel mit einer Wundrose vergleichbar, bei der von einer ML-Therapie ebenfalls abzuraten ist.
Außerdem sollte man bei tumorösem Gewebe aufpassen, da vielleicht eine Verschleppungsgefahr bestehen könnte.
Sehr gut funktioniert die ML zum Beispiel in der Wundheilung. Auf diese Weise können auch Leistungsträger - und das ganz ohne positive Dopingprobe! - wieder schneller fit gemacht werden. Außerdem erforschen wir zurzeit die Behandlung von vielen anderen Krankheitsbildern, die man typischerweise erst einmal nicht mit dem Lymphsystem in Verbindung bringen würde, wie zum Beispiel Sehnenverletzungen.

Wie genau sieht die Therapie beim Pferd aus? Wie lange sollte sie durchgeführt werden und wie unterstützt man sie?
Im bisher klassischen Einsatzbereich der ML, den angelaufenen Beinen, geht es darum, den Lymphabfluss zu fördern und Stauungen aufzulösen. Da der Weg vom Bein zum Herzbereich beim Pferd sehr lang ist, kommt es vor allem an den Hinterbeinen zu Stauungen und damit zu den angelaufenen Beinen. Um diese aufzulösen, sollte eine Behandlung immer an der linken Seite des Pferdes vor der Schulter ansetzen, um den Hauptlymphgang anzuregen. Dann arbeitet man sich immer weiter, bis zum kranken Bein. Am Bein selbst beginnt die Behandlung oben in der Leiste und auch hier wird der Abfluss zum Herzen hin angeregt.
Eine Sitzung dauert dabei ungefähr eine dreiviertel Stunde, danach wird ein dicker, wattiger Verband gelegt. Diese Behandlung muss dann, je nach Krankheitsbild, wiederholt werden.
Wichtig ist dabei auch die regelmäßige Bewegung. Doch diese allein reicht auf lange Sicht zur Behandlung von angelaufenen Beinen nicht aus. Auch wenn das Bein nach dem Reiten augenscheinlich dünner ist, lagern sich auf Dauer Eiweiße ab, die sich dann verhärten. Diese können dann nur durch die ML aus den Gefäßen "gearbeitet" werden.

Woran erkennt der Laie einen qualifizierten Lymphdrainagetherapeuten?

Wie gesagt, beginnt ein vernünftiger Therapeut niemals mit der Behandlung des kranken Beines. Doch ansonsten ist die Unterscheidung für Laien sehr schwer. Bei Bedarf sollte sich der Pferdehalter ruhig jederzeit an uns wenden, da wir gerne bereit sind, einen Kontakt zu von uns ausgebildeten Therapeuten zu vermitteln.


Was kann der Pferdehalter selbst als Prävention tun?
In unserem Buch "Manuelle Lymphdrainage beim Pferd" gibt es ein Kapitel, das sich ausschließlich mit Präventionsmaßnahmen beschäftigt und hier findet jeder Pferdehalter wichtige Tipps, wie zum Beispiel eine Anleitung zum Lymphdraingeputzen. Und auch an dieser Stelle kann ich nur darauf hinweisen, wie wichtig regelmäßige Bewegung für ein Pferd ist.
Wichtig ist außerdem eine frühzeitige Behandlung durch einen ausgebildeten Therapeuten. Ein Einschuss führt auch hierzulande zum Beispiel wegen einer Antibiotika-Unverträglichkeit oft zu einem Elefantenbein. Dann muss schnell gehandelt werden, bevor die Eiweißablagerungen sich zu sehr verhärten und das Bein nicht mehr austherapiert werden kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Buchtipp: "Manuelle Lymphdrainage beim Pferd - Vergleichende Lymphologie, Indikationen, Prävention" Hrsg. v. Dirk Berens von Rautenfeld u. Christina Fedele, Schlütersche Verlagsanstalt, Preis: 69 Euro.

Fotos: Pferde-Welt.Info
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